Das Modell der Selbstwert-Eistüte® nach Kauke

Persönlichkeit stärken im systemischen Coaching

In der Arbeitswelt finden wir uns häufig in einem Hamsterrad wieder.
Je schneller wir laufen, desto mehr müssen wir uns beeilen, um Schritt zu halten.
Viel seltener bemerken wir, dass wir nicht nur im Arbeits- sondern auch im Privatleben immer weiter beschleunigen. Oft ähneln sich die betreffenden Themen in erstaunlicher Weise. In Coachings zeigten sich bei den verschiedensten Anliegen immer wieder dieselben zugrunde liegenden Selbstwert-Themen. Wenn ich beispielsweise bei meiner Arbeit perfekt sein will, dann will ich das auch als Sportler/in, als Familienmutter oder Vater und auch als Kind von zuwendungs- oder pflegebedürftigen Eltern. Aus dem sprichwörtlichen Hamsterrad wird ein „Selbstwertrad“.
Jeden von uns begleiten verschiedene Themen und Verhaltensmuster durch die unterschiedlichsten Lebensbereiche. Sie beeinflussen uns bei der Ausübung von unseren vielfältigen Funktionen und Rollen und in der Art, wie wir Situationen wahrnehmen, bewerten und empfinden.
Das Modell der Selbstwert-Eistüte® setzen wir zur Klärung innerer Motive ein.
Schrittweise werden Verhaltensmuster und Einstellungen herausgearbeitet und veranschaulicht dargestellt.
Es handelt sich um eine integrative Interventionsmethode für Coachings, die auf der Transaktionsanalyse2, Körperpsychotherapie3, kognitiven Verhaltenstherapie4 und Schematherapie5 basiert.
In dem Modell der Selbstwert-Eistüte® stehen verschiedene „Eissorten“ für psychologische Konstrukte. Jeder Eissorte liegen innere Normen und Werte zugrunde, die sich in Sätzen formulieren lassen. Diese Glaubenssätze sind für uns, unser Handeln und Erleben bindend und zunächst unumstößlich. Es gibt Eiskugeln für Leistungsstreben, Kompetenzerwartungen, Harmonie und Macht6.
In Führungskräfte-Coachings gibt es meistens Präferenzen für ganz bestimmte Eissorten.
Meistens liegen eine oder zwei unten in der Selbstwert-Eistüte®. Wie die Abbildung zeigt, werden aus den inneren Werten Glaubenssätze, Ziele, Ansprüche und Erwartungen an sich selbst abgeleitet.

Abbildung. „Die Selbstwert-Eistüte®“ (Kauke, Bußhoff und Regenbogen, 2016)

Wir füllen die Selbstwert-Eistüte®, indem wir in verschiedenen Lebensbereichen immer wieder dasselbe Verhaltensmuster zeigen und entsprechende Reaktionen von Kolleg/innen, Freunden und Familie erhalten. Unser Verhalten und die Reaktionen aus unserem Umfeld bestätigen und verstärken diese Glaubenssätze. Wir koppeln dabei unseren Wert (Selbstwert) an die Einhaltung der eigenen Ansprüche und Reaktionen. Unsere Emotionen entstehen somit durch Reaktionen von außen. Unsere Emotionsregulation erfolgt dadurch in Abhängigkeit von der Umwelt.
Letztendlich machen wir unseren Selbstwert „vom Außen“ abhängig.
Wir setzen uns zum Beispiel beim Streben nach höchsten Maßstäben immer weitere Ziele und verkürzen dazwischenliegende Pausen. Unsere Selbstwert-Eistüte® füllen wir dabei einseitig mit Perfektionismus-Kugeln. Unseren Selbstwert generieren wir dann irgendwann allein durch das Erreichen von außerordentlichen Zielen und durch Anerkennung. Die von außen gesteuerte Emotionsregulation gefährdet nicht nur unsere Gesundheit – wir schränken auch unsere Entscheidungsfreiheit und Verhaltensmöglichkeiten erheblich ein. Paradoxerweise gefährden wir gerade dadurch auch unsere Leistung.
Da besonders Führungskräfte auch unliebsame Entscheidungen durchsetzen müssen und mit ihrem Verhalten automatisch Vorbild sind, wird eine gefestigte Persönlichkeit und ein autonomer Selbstwert besonders wichtig. Jeden Moment werden in Organisationen tausende Entscheidungen getroffen – Führungskräfte sollten daher die Motive kennen, aus denen heraus sie handeln und entscheiden. Sie besitzen dadurch auf der individuellen Ebene mehr Handlungs- und Entscheidungsspielräume und finden sich auf der Team- oder Gruppenebene weniger in verselbstständigten Verhaltensketten wieder.
Wenn wir uns selbst in der Arbeit erkennen und entscheiden, wann wir aus dem Selbstwertrad aussteigen – dann können wir auch wieder berufliche Entscheidungen im Sinne der Mitarbeitenden und der Organisation treffen.

Literatur
1: Kauke, R., Bußhoff, C. & Regenbogen, B. (2016). Gesund bleiben in der Führungsspitze: Durch die systemische Brille betrachtet. In A., Ghadiri, A., Ternès & T. Peters (Hrsg.): Trends im Betrieblichen Gesundheitsmanagement. Wiesbaden: SpringerGabler.
Kauke, R. (2012, Mai). Gesunde Führung. Vortrag zum Management Development Program der EOS Holding GmbH in Hamburg, Mannheim und Berlin.
Kauke, R. (2011, Februar). Gesundheit, Prävention & Führung. Vortrag zum Management Development Program der EOS Holding GmbH in Hamburg, Mannheim und Berlin.
2: Berne, E. (1967). Spiele der Erwachsenen: Psychologie der menschlichen Beziehungen. Reinbek b. Hamburg: Rowohlt.
Berne, E. (1961). Transactional analysis in psychotherapy: a systematic individual and social psychiatry. New York: Gove Press.
3: Gerken, S. (2011, Oktober). The Body is the Past, Present and the Future. Vortrag beim Body Psychotherapy Congress: Psicoterapia Corporal in Venezuela.
Marlock, G. & Weiss, H. (2007). Handbuch der Körperpsychotherapie. Stuttgart: Schattauer GmbH.
4: Stavemann, H. H. (2008). KVT-Praxis: Strategien und Leitfäden für die Kognitive Verhaltenstherapie. Weinheim: Beltz.
Stavemann, H. H. (2006). Differentialindikation für Disputationstechniken und Sokratische Dialoge in der Kognitiven Verhaltenstherapie. Verhaltenstherapie & Psychosoziale Praxis, 38(2), 337-349.
Stavemann, H. H. (2003). Therapie emotionaler Turbulenzen: Einführung in die kognitive Verhaltenstherapie. Weinheim: Beltz.
5: Young, J. E. (1994). Cognitive therapy for personality disorders: A schema-focused approach (rev. Professional Resource Press/Professional Resource Exchange). Sarasota: Professional Resource Press/Professional Resource Exchange.
Young, J. E., Klosko, J. S., Weishaar, M. E. (2005). Schematherapie: Ein praxisorientiertes Handbuch. Paderborn: Junfermann Verlag.
6: Drath, K. (2012). Coaching und seine Wurzeln: Erfolgreiche Interventionen und ihre Ursprünge. Freiburg: Haufe.
Kaluza, G. (2012). Gelassen und sicher im Stress: Das Stresskompetenz-Buch - Stress erkennen, verstehen, bewältigen. Berlin, Heidelberg: Springer-Verlag. doi:10.1007/978-3-642-28195-2
Simon, F. B. (2015). Einführung in die systemische Organisationstheorie (5. Aufl.). Heidelberg: Carl-Auer-Systeme Verlag.
Simon, F. B. (2015). Einführung in die Systemtheorie des Konflikts (3. Aufl.). Heidelberg: Carl-Auer-Systeme Verlag.